GKV-Spitzenverband

GKV-Finanzen: Weiter „Augen zu und durch“ ist keine Option
Der Blick in die Finanzen der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) zeigt: Die Leistungsausgaben steigen und steigen. Auch wenn alle Krankenkassen im Interesse ihrer 75 Millionen Versicherten und deren Arbeitgebenden darum kämpfen, weitere Beitragserhöhungen zu vermeiden – die Beitragsspirale wird sich weiter nach oben drehen, wenn die Politik jetzt nicht endlich gegensteuert.

Die Leistungsausgaben der GKV sind im 1. Halbjahr 2024 noch stärker gestiegen als im 1. Quartal 2024, sodass das Defizit der Kassen von 775 Mio. Euro auf 2,16 Mrd. Euro im 1. Halbjahr 2024 angewachsen ist. Für das Gesamtjahr rechnet der GKV-Spitzenverband mit einem Defizit von 4 bis 4,5 Mrd. Euro. Um im laufenden Jahr in der GKV auskömmlich finanziert zu sein, hätte der Zusatzbeitrag für 2024 daher nicht bei den im Herbst letzten Jahres geschätzten 1,7 Prozent, sondern bei 2 Prozent liegen müssen. Mit diesem erwarteten Defizit werden die Mindestreserven der Kassen zum Jahresende im Schnitt unter der gesetzlich festgelegten Mindestreserve von 20 Prozent bei nur noch rd. 14 Prozent einer Monatsausgabe liegen.

GKV-Finanzen nachhaltig stabilisieren
„Damit stehen keine Reserven mehr zur Verfügung, um Beitragssteigerungen im nächsten Jahr zu verhindern oder auch nur abzumildern – und der Bundesgesundheitsminister schaut tatenlos zu“, so Dr. Doris Pfeiffer, Vorstandsvorsitzende des GKV-Spitzenverbandes.
Für 2025 rechnet der GKV-Spitzenverband inzwischen mit einem Zusatzbeitragssatz in Höhe von mindestens 2,3 Prozent, also mit 0,6 Prozentpunkten mehr als in diesem Jahr. Und dabei sind kommende Gesetzesvorhaben wie etwa die kostenträchtige Krankenhausreform noch nicht einmal berücksichtigt. Die könnten den GKV-Beitrag zusätzlich um 0,1 Prozent erhöhen. „Die Politik scheint sich an steigende Zusatzbeitragssätze gewöhnt zu haben – wir aber nicht. Jährliche Beitragssatzanhebungen zur Finanzierung der medizinischen und pflegerischen Versorgung dürfen kein selbstverständliches Instrument der Gesundheitspolitik sein. Die finanzielle Belastbarkeit der Versicherten und Arbeitgeber wird dadurch zunehmend überfordert“, so Doris Pfeiffer weiter. 

Um die GKV-Finanzen nachhaltig zu stabilisieren, müsse die Politik endlich die Ausgabenentwicklung für alle Leistungsbereiche in den Blick nehmen. Effizienzreserven müssten konsequent gehoben, der Abbau von Unter-, Über- und Fehlversorgung vorangetrieben werden. „Immer neue Gesetze, die die gesundheitliche Versorgung kaum besser, dafür aber deutlich teurer machen, lösen die strukturellen Probleme der GKV nicht. Gesetze müssen die Versorgung verbessern und dürfen dabei die Einnahmenentwicklung nicht ignorieren. Das Gesundheitswesen funktioniert nur, wenn es medizinisch, pflegerisch und ökonomisch im Gleichgewicht ist. Alles andere kann sich das Gesundheitswesen nicht mehr leisten und nützt auch den Versicherten nicht“, so Doris Pfeiffer.

Beitragserhöhungen können noch abgewendet werden
Solche Strukturreformen können nur langfristig ihre Wirkung entfalten. Die sich abzeichnende Beitragserhöhungswelle zum Jahreswechsel kann aber auch noch kurzfristig abgewendet werden, wenn die Gesundheitspolitik entschlossen ein relativ schnell umsetzbares Reformpaket schnürt. Dazu sollte das Senken der Mehrwertsteuer auf Arzneimittel gehören. Alleine mit dem ermäßigten Steuersatz würde die gesetzliche Krankenversicherung hier um mehr als fünf Milliarden Euro entlastet. Eine weitere Sofortmaßnahme müsste die ausreichende Finanzierung der von den gesetzlichen Krankenkassen zu leistenden gesundheitlichen Versorgung der Bürgergeldbeziehenden sein – aktuell zahlt der Bund der gesetzlichen Krankenversicherung hierfür im Jahr rund zehn Milliarden Euro weniger, als sie für diese Leistungen im Auftrag des Staates ausgibt. Nicht zuletzt würde die dringend notwendige Dynamisierung des Bundeszuschusses für die so genannten versicherungsfremden Leistungen eine erhebliche Entlastung für die GKV bringen. Hier übernehmen die Kassen familienpolitische Leistungen wie etwa das Mutterschaftsgeld, die eigentlich vom Staat zu finanzieren wären. 

„Die Bundesregierung hat noch Zeit und die Möglichkeit, im Sinne der Beitragsstabilität zu handeln. Ausreichende Beitragspauschalen für Bürgergeldbeziehende könnten eine Welle der Beitragserhöhungen Anfang des nächsten Jahres verhindern. Damit bekämen wir dann zwar noch keine langfristige Stabilität, aber es würde Gesundheitspolitik und Selbstverwaltung Luft verschaffen, um gemeinsam an den notwendigen Strukturreformen zu arbeiten. Weiterhin ein ‚Augen zu und durch‘ ist jedenfalls keine Option“, betont Doris Pfeiffer.


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