Deutschlands Intensivmediziner sehen in den Plänen eines weiterhin bestehenden – und eventuell sogar deutlich verschärften – Lockdowns medizinisch eine absolute Notwendigkeit. „Wir erkennen an den deutlich sinkenden Patientenzahlen auf den Intensivstationen die erste positive Wirkung des aktuellen Lockdowns“, erklärt der neue Präsident der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI), Professor Gernot Marx, Direktor der Klinik für Operative Intensivmedizin und Intermediate Care am Universitätsklinikum Aachen. „Aber mit derzeit knapp 5.000 Patienten in intensivmedizinischer Behandlung sind wir leider noch weit über dem Peak der ersten Welle mit 3.000 Patienten – und ganz weit entfernt von einem Normalbetrieb!“ Es gelte, die Infektionszahlen weiterhin drastisch zu reduzieren, pflichtet ihm Past Präsident Professor Uwe Janssens bei. „Schaue ich mir die Infektionszahlen und dann die Zahlen der Patienten auf den Normal- und Intensivstationen in Ländern an, die vor Kurzem erst Lockerungen gewagt haben – zum Beispiel Spanien – gehen die Zahlen in einer dritten Welle gleich wieder rapide nach oben“, so Präsident Marx. Die aktuellen Maßnahmen müssten deshalb mit Sicherheit noch über den Februar hinaus fortgesetzt werden. Belgien und Griechenland würden mit ihren Lockdown-Maßnahmen hingegen gute Vorbilder abgeben. Ebenfalls wäre es extrem wichtig, erklärt Janssens, Chefarzt der Klinik für Innere Medizin und Internistische Intensivmedizin am St.-Antonius-Hospital Eschweiler, dass alle Lockdown-Maßnahmen einheitlich und stringent in jedem Bundesland – ohne Ausnahme von den Ausnahmen – umgesetzt würden, um zielgerichtet in ganz Deutschland deutliche Effekte zu erzeugen. „Nur wenn wir alle an einem Strang ziehen, schaffen wir das!“, appelliert er. Uns darf nicht die Puste ausgehen! Die Zahlen in Irland und dem Vereinigten Königreich erschrecken die Intensivmediziner. „Wir müssen uns verstärkt gemeinsam um die Mitarbeiter auf den Intensivstationen und Notaufnahmen kümmern, die seit mehr als zehn Wochen am Anschlag arbeiten“, erklärt der designierte Präsident der DIVI, Präsident elect Professor Felix Walcher (Foto, ganz links), Direktor der Klinik für Unfallchirurgie des Universitätsklinikums Magdeburg. „Wir müssen zudem den Anstieg der Patientenzahlen durch die Virusmutation einkalkulieren und trotzdem in den Kliniken handlungsfähig bleiben!“ Es gelte, eine dritte Welle, die auf die zweite direkt aufsatteln könnte, dringend zu verhindern. Das Personal brauche unbedingt echte Unterstützung und eine kurze Verschnaufpause, so Walcher. „Es ist ein Wettlauf von Mutante und Impfung“, zeichnet DIVI-Präsident Marx ein plakatives Bild. „Uns darf in diesem Wettlauf nicht die Puste ausgehen“ – ein Lockdown nach belgischem oder griechischem Vorbild habe das Potential, die Mutante auszubremsen und der Impfung einen deutlichen Vorsprung zu verschaffen. So wenige Kontakte wie möglich und impfen, impfen, impfen „Es gibt derzeit keinerlei Alternative!“, bestätigt auch der DIVI-Generalsekretär, PD Dr. Florian Hoffmann (Foto, ganz rechts), Oberarzt auf der interdisziplinären Kinderintensivstation am Dr. von Haunerschen Kinderspital der Ludwig-Maximilians-Universität München. „Für Nord wie Süd, Ost wie West gilt: Um die weiterhin hohen Inzidenzzahlen zu einem exponentiellen Abfall zu bringen, die Welle zu brechen, weiterhin sinkende Zahlen auf den Intensivstationen zu verzeichnen sowie die hohen Todeszahlen rasch zu senken, gibt es nach wie vor keine Medikamente. Wir können nur die Kontakte untereinander so weit wie möglich herunterfahren und impfen, impfen, impfen!“ |