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AOK Niedersachen: Einbruch bei Krankenhaus-Behandlungen in Niedersachsen

Planbare Operationen gehen in der Pandemie bis 43 Prozent zurück

Hannover, 5. April 2022. Wie hat sich die Situation in Niedersachsens Krankenhäusern in der Pandemie entwickelt – und welche Erkenntnisse lassen sich daraus ableiten? Der bundesweite Krankenhaus-Report 2022 des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WIdO) beleuchtet Behandlungsrückgänge und Auswirkungen auf die Versorgung von Patientinnen und Patienten über die ersten vier Pandemiewellen bis Dezember 2021. Ein aktueller Blick des WIdO auf die Omikron-Welle weist für Januar und Februar 2022 einen Fortgang der Fallzahl-Einbrüche aus. Der Hauptgrund dafür sind die hohen Infektionszahlen, die zu deutlichen Personalengpässen in Kliniken und in der Folge zu Absagen von Behandlungen und Operationen führen können.

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Dr. Jürgen Peter, Vorstandsvorsitzender der AOK Niedersachsen: „Im Ergebnis der Erhebung zeigt sich, dass wir vergleichsweise besser durch die Pandemie gekommen sind. Trotz der Fallzahl-Einbrüche wurden in Niedersachsen rund 65. 000 Menschen mehr behandelt als im Bundesvergleich.“

Krankenhaus-Behandlungen bis zu 26 Prozent rückläufig

Krankenhausaufnahmen aufgrund von körperlichen Beschwerden sind in Niedersachsen im Jahr 2021 im Vergleich zu 2019 um 11 Prozent (2020: 12 Prozent) zurückgegangen. In den Pandemiewellen kam es mit steigenden Infektionszahlen zu stärkeren Fallzahl-Einbrüchen (s. Abbildung 1). Die Entwicklungen sind durch weitere Aspekte beeinflusst: Seit der ersten Welle (März bis Mai 2020) waren alle Krankenhäuser aufgefordert, nicht zwingend notwendige Leistungen zu verschieben. Zugleich wurde die Finanzierung durch Freihaltepauschalen abgesichert. Der Behandlungseinbruch bei den somatischen Fällen lag hier bei minus 26 Prozent. In den Folgewellen 2 bis 4 waren die Rückgänge bei stationären Aufnahmen mit minus 17, minus 14 und minus 7 Prozent deutlich niedriger – trotz höherer Covid-19-Fallzahlen. Gründe hierfür waren u.a. die Verfügbarkeit von Impfungen sowie die Maßgabe, Betten freizuhalten und die daraus resultierende finanzielle Absicherung der Kliniken.

Weniger stationäre Notfall-Behandlungen

Bei lebensbedrohlichen Notfällen lagen die stationären Behandlungsrückgänge bei Herzinfarkten bei 7 Prozent (2020) und 4 Prozent (2021). Bei Schlaganfällen war ein Rückgang von 2 Prozent (2020) und 5 Prozent (2021) zu verzeichnen (s. Abbildung 2). Laut Experten zeigt eine Detailanalyse für den Krankenhaus-Report, dass in den Kliniken eher schwerere Fälle angekommen sind. Das deute darauf hin, dass Patienten mit milderen Symptomen vielfach nicht oder verzögert den Rettungsdienst alarmiert hätten. Es ist nicht auszuschließen, dass leichte, nicht adäquat behandelte Herzinfarkte und Schlaganfälle Spätfolgen haben können, was sich aber erst mittelfristig in Studien zeigen wird. „Zögern Sie auch in Pandemie-Zeiten nicht, bei Notfallsymptomen den Rettungsdienst zu rufen“, appelliert AOK-Chef Dr. Peter an die Niedersachsen.

Deutlicher Einbruch bei ambulant-sensitiven Behandlungen

Bluthochdruck, Rückenschmerzen oder COPD – bei diesen sogenannten ambulant-sensitiven Behandlungen zeigt die Analyse der AOK-Daten für 2020 und 2021 durchgängig Rückgänge, die in den Pandemiewellen stärker ausgeprägt sind, aber auch in den Sommermonaten anhalten (s. Abbildung 3). Sie reichen 2021 von 6 Prozent bei Herzinsuffizienz bis zu mehr als 30 Prozent bei Rückenschmerzen und COPD (s. Abbildung 4). Hohe Fallzahlen bei diesen Indikationen werden auch als Indikator für Überkapazitäten im stationären Sektor gedeutet. AOK-Chef Dr. Peter: „In den Ergebnissen spiegelt sich wider, dass in vielen Fällen eine qualifizierte ambulante Behandlung ausreichen würde, sofern das Gesundheitssystem entsprechend aufgestellt ist. Das muss die anstehende Krankenhausreform dringend aufgreifen.“

Planbare Operationen gehen bis zu 43 Prozent zurück

Besonders auffällig ist der anhaltende Einbruch bei Mandelentfernungen (2020 minus 26 Prozent, 2021 sogar minus 43 Prozent). Die Rückgänge bei Implantationen künstlicher Hüftgelenke beliefen sich auf minus 12 Prozent (2020) und minus 7 Prozent (2021). Gebärmutterentfernungen bei gutartigen Erkrankungen reduzierten sich um 7 Prozent (2020) und 10 Prozent (2021) im Vergleich zu 2019 (s. Abbildung 5). Laut WIdO-Experten handele es sich bei allen genannten Operationen um Eingriffe, die tendenziell zu häufig und teilweise ohne leitliniengerechte Indikationsstellung durchgeführt werden. Insofern hätte es im Zuge der Pandemie offenbar auch einen Abbau von Überversorgung bei diesen Eingriffen gegeben.

Krebsoperationen: mehr schwere Erkrankungen befürchtet

Im Bereich der Krebserkrankungen hat der Krankenhaus-Report beispielhaft zwei häufige Operationen bei bösartigen Neubildungen betrachtet: Eingriffe bei Brustkrebs und Darmkrebs. Während die Behandlungen bei Brustkrebs in der Pandemie auf nahezu konstantem Niveau blieben, zeigt sich bei Darmkrebs-Operationen in beiden Jahren ein deutlicher Rückgang (2020 minus 14 Prozent gegenüber 2019; 2021 minus 11 Prozent, s. Abbildung 6). „Hier steht die Befürchtung im Raum, dass fehlende Diagnostik und spätere Behandlung zu mehr schweren Krebserkrankungen, höheren Tumorstadien bei der Erstdiagnostik und einer Erhöhung der Sterblichkeit führen“, so WIdO-Chef Klauber bei der Vorstellung des Krankenhaus-Reports 2022 in Berlin.

Fazit: Anlass zur Sorge um Patienten

Insgesamt zeigt die Analyse der Pandemiejahre 2020 und 2021 zweierlei: Einerseits geben Entwicklungen im Bereich der Notfallversorgung, d. h. der Versorgung von Herzinfarkten und Schlaganfällen aber auch der Krebsversorgung – mit Blick auf Darmkrebs – Anlass zur Sorge. Wesentlich ist daher, dass die stationäre Notfallversorgung sowie die onkologische Versorgung in kritischen Pandemiephasen abgesichert sind. Andererseits zeigen die Rückgänge verschiedener Leistungen und die Einbrüche bei ambulant-sensitiven Fällen, dass hier mit dem Ziel einer angemessenen und wirtschaftlichen Versorgung genauer hingesehen werden muss.