Scheitern mit Ansage: Impfpflicht-Debakel ist eine bittere Botschaft an die Krankenhäuser

DKG zum Scheitern der Impfpflicht

08.04.2022

Zum Scheitern der Impfpflicht erklärt der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG), Dr. Gerald Gaß:

„Das Scheitern der allgemeinen Impfpflicht ist ein Scheitern der Bundesregierung, aber auch aller Parteien, die ein Interesse daran haben, Deutschland aus der Pandemie zu führen. Es ist auch ein endgültiges Scheitern, denn jetzt den Versuch zu starten, doch noch einen Kompromiss bis zum Herbst zu erzielen, ist nicht glaubwürdig. Zudem ist es ein Scheitern mit Ansage. Die Bundesregierung hat versäumt, mit einem eigenen Antrag der Debatte eine klare Richtung zu geben und sie zu beschleunigen. Mit dem Versuch, die Abstimmung zu einer Gewissensentscheidung zu erklären, wurde eines der wichtigsten Anliegen in der Pandemiebekämpfung zerredet. Statt auf wissenschaftlicher Basis zu entscheiden, wurden Kompromisse ausgehandelt und Altersgrenzen hin und her geschoben. Wechselseitig wurde die Impfpflicht-Debatte für die parteipolitische Profilierung genutzt. Auf diese Weise lässt sich nach zwei Jahren vielfach kritisierter Corona-Politik nicht mehr Vertrauen und Akzeptanz in der Bevölkerung gewinnen.

Anzeige

Das politische Versagen bei der gescheiterten Impfpflicht ist ein ganz bitteres Signal für Pflegekräfte und Ärzte in den Krankenhäusern. Letztlich lautet die Botschaft: Jeder soll für sich persönlich entscheiden, was für ihn in dieser Pandemie richtig und gut ist. Als Ausputzer haben wir ja die Krankenhäuser, wenn dieses Prinzip der Eigenverantwortung zur Verhinderung weiterer Wellen nicht ausreicht. Wenn in den zurückliegenden zwei Jahren bei allen Maßnahmen jeder nur seine persönliche Risiko-Nutzen-Bewertung vorgenommen hätte, hätten wir viele hunderttausend Tote mehr zu beklagen.

Mit Sicherheit wird sich die jetzige Impflücke bis zum Herbst nicht schließen lassen. Zurzeit erhalten deutschlandweit weniger als 5.000 Menschen täglich eine Erstimpfung und das bei insgesamt fast drei Millionen Ungeimpften allein in der Altersgruppe über 60 Jahre. Wie bitteschön soll eine Impfkampagne denn aussehen, die hier über den Sommer eine entscheidende Trendwende schafft? Somit laufen wir Gefahr, dass wir im Herbst vor der gleichen Situation stehen wie vor einem Jahr: neuer Lockdown, Gefahr der Überlastung von Kliniken, Patientinnen und Patienten werden sich erneut auf Wartelisten wiederfinden. Dass dies dann im dritten Winter der Pandemie tatsächlich wieder passieren könnte, ist ein Armutszeugnis der politischen Entscheider. Ausgesprochen befremdlich finde ich, dass vor dem Hintergrund dieser Realitäten ausgerechnet vermeintliche Patientenvertreter das Scheitern der Impfpflicht als Stärkung der Selbstbestimmung feiern.

Das Ende der allgemeinen Impfpflichtbedeutet aber auch, dass die einrichtungsbezogene Impfpflichtumgehend auf den Prüfstand gehört. Bei der allgemeinen Impfpflichtwurde argumentiert, dass diese besonders gefährdete Gruppen vor schweren Verläufen und Krankenhausaufenthalten schützen würde und somit für eine Entlastung des Gesundheitssystems sorgt. Die einrichtungsbezogene Impfpflichtwurde eingeführt, um genau diese Gruppen zu schützen. Die Verhinderung der Übertragung wurde als Argument für die allgemeine Impfpflicht aber als hinfällig betrachtet. Dann kann sie auch nicht mehr Grundlage für Betretungs- und Berufsverbote für die Beschäftigten in den Gesundheitseinrichtungen sein.

Die Beschäftigten in den Kliniken sind Anfang 2021 vorangegangen und haben sich flächendeckend impfen lassen. Wir haben immer für die einrichtungsbezogene Impfpflichtgekämpft und diese befürwortet, aber unter der Voraussetzung, dass sie nur ein erster Schritt sein kann und dann mit einer allgemeinen Impfpflicht ergänzt wird. Wenn die Politik dafür keine Kraft hat, kann dies nicht auf Kliniken und andere Einrichtungen im Gesundheitswesen und deren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter abgewälzt werden.“