Wirtschaftliche und personelle Situation der Psychiatrien weiterhin äußerst angespannt
14.07.2022
Die psychiatrischen und psychosomatischen Einrichtungen in Deutschland haben ihre wirtschaftliche Situation zur Jahreswende 2021/2022 mehrheitlich kritisch eingeschätzt. Nur 13 Prozent der Einrichtungs- und 21 Prozent der Stationspsychiatrien beurteilten ihre wirtschaftliche Lage als gut, 44 bzw. 38 Prozent als unbefriedigend und 35 bzw. 48 Prozent ziehen eine gemischte Bilanz. Für 2022 erwartet ein Drittel der Häuser eine weitere Verschlechterung, nur ein Sechstel rechnet mit Verbesserungen. Die restlichen Häuser erwarten keine Veränderungen. Das ist das Ergebnis des aktuellen Psychiatrie-Barometers des Deutschen Krankenhausinstituts (DKI), einer jährlich durchgeführten Repräsentativbefragung psychiatrischer und psychosomatischer Einrichtungen zu aktuellen Themen in diesem Versorgungsbereich. „Die psychiatrischen Kliniken waren während der Pandemiejahre weitgehend nicht unter dem Corona-Rettungsschirm. Das allein hat ihnen schon wirtschaftlich zugesetzt. Mit den aktuellen extremen Preissteigerungen stehen die Psychiatrien vor weiteren großen Problemen, da sie ihre Zusatzkosten nicht einfach weitergeben können. Die Politik muss hier umgehend handeln und den gerade nach Lockdowns und Kontaktbeschränkungen dringend benötigten psychiatrischen und psychosomatischen Kliniken wirtschaftliche Sicherheit geben, kurzfristig vor allem in Form eines Inflationsausgleichs“, erklärt der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG), Dr. Gerald Gaß.
Die Pandemiejahre haben aber auch viele Potentiale der Krankenhäuser sichtbar gemacht, die verstärkt genutzt werden müssen. „Kliniken haben sich flächendeckend zu regionalen Netzwerken zusammengeschlossen, um die Pandemie besser und koordiniert bewältigen zu können. Dieses Prinzip hat sich bewährt. Hinzu kommt, dass wir auch in der Psychiatrie die ambulanten Potentiale der Kliniken viel besser nutzen müssen“, so Gaß. 72 Prozent der psychiatrischen und psychosomatischen Einrichtungen sehen einen hohen oder sogar sehr hohen Bedarf für den Ausbau ihrer ambulanten Leistungen.
Kritisch sehen viele psychiatrische und psychosomatische Kliniken auch die Personalausstattung Psychiatrie und Psychosomatik-Richtlinie (PPP-RL), die Mindestvorgaben des Gemeinsamen Bundesausschusses für das erforderliche therapeutische Personal festlegt. In den ersten drei Quartalen 2021 konnten in keiner Berufsgruppe die Mindestvorgaben der Richtlinie eingehalten werden. Lediglich bei den Ärztinnen und Ärzten sowie den Psychologinnen und Psychologen waren die Vorgaben mit 58 bzw. 71 Prozent in mehr als der Hälfte der Krankenhäuser in jedem Quartal erfüllt. Die Vorgaben in der Pflege und bei den Spezialtherapeutinnen und -therapeuten konnten nur 36 bzw. 40 Prozent der Häuser erfüllen.
Haupthindernisse für die Umsetzung der PPP-RL bilden Stellenbesetzungsprobleme und unzureichende Flexibilität in der Personalsteuerung durch die starren Anrechnungsregeln von Fach- und Hilfskräften auf die Mindestvorgaben. Daneben beklagen die Häuser vor allem gestiegenen Aufwand in der Personalsteuerung, der Datenbeschaffung und der Dokumentation. Die Deutsche Krankenhausgesellschaft mahnt in diesem Zusammenhang dringend Reformen an, um die Versorgung nicht zu gefährden.
„Die Richtlinie muss grundsätzlich überarbeitet werden. Die Mindestvorgaben müssen sich am Bedarf der Patientinnen und Patienten orientieren und ausreichend flexibel sein. Nicht zuletzt die Corona-Pandemie stellt die psychiatrischen Kliniken vor neue Herausforderungen. Wirtschaftlich bedingte Schließungen und Kapazitätseinschränkungen können wir uns in der Psychiatrie nicht leisten. Und wie im gesamten Krankenhausbetrieb muss auch der Personalmangel in der Psychiatrie grundsätzlich angegangen werden“, erklärt Gaß.
Die Ergebnisse des Psychiatrie-Barometers 2021/2022 beruhen auf einer Befragung in den psychiatrischen und psychosomatischen Fachkrankenhäusern sowie den Allgemeinkrankenhäusern mit psychiatrischen oder psychosomatischen Fachabteilungen. Befragungszeitraum war Oktober 2021 bis Januar 2022, 368 Einrichtungen haben sich beteiligt. Das aktuelle Psychiatrie-Barometer finden Sie unter www.dkgev.de/service/publikationen-downloads/krankenhaus-barometer/.