AOK

Apps auf Rezept: Insgesamt positive Bewertungen, aber eher geringe Bereitschaft zur Weiterempfehlung

Befragung der AOK zu Digitalen Gesundheitsanwendungen zeigt Verbesserungspotenzial bei der ärztlichen Aufklärung

Digitale Gesundheitswendungen (DiGA) werden von den Nutzerinnen und Nutzern insgesamt positiv bewertet, aber nur knapp 40 Prozent würden sie ihren Freunden oder Bekannten mit vergleichbarer Diagnose sehr wahrscheinlich weiterempfehlen. Das sind zentrale Ergebnisse einer bundesweiten Online-Befragung von mehr als 2.600 AOK-Versicherten, die von ihrer Gesundheitskasse zuvor einen Freischaltcode für eine „App auf Rezept“ erhalten und eingelöst hatten. Auch 732 Versicherte der AOK Rheinland-Pfalz/Saarland waren im September und Oktober 2022 angeschrieben und zu der Befragung eingeladen worden, 98 Versicherte nahmen teil.

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Ziel der Befragung war es, zwei Jahre nach der Aufnahme der DiGA in den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung die Akzeptanz und das tatsächliche Nutzungsverhalten zu evaluieren. Seit der Einführung der Verordnungsfähigkeit sind allein bei der AOK Rheinland-Pfalz/Saarland insgesamt 2.341 DiGA genehmigt worden. An erster Stelle standen Genehmigungen der Rücken-DiGA „Vivira“ mit 446 Verordnungen, gefolgt von der Tinnitus-Anwendung „Kalmeda“ (439 Verordnungen) sowie der Anwendung „zanadio“ bei Adipositas mit 365 Verordnungen. Der AOK Rheinland-Pfalz/Saarland sind dadurch Kosten in Höhe von 592.000/297.000 Euro entstanden. 

58 Prozent der befragten Versicherten, die eine DiGA verschrieben bekommen hatten, bewerteten diese als sinnvolle Ergänzung zu ihrer Therapie. Als größten Vorteil sahen die Nutzerinnen und Nutzer, dass sie sich die Behandlung mit einer DiGA zeitlich flexibel einteilen können (70 Prozent). Immerhin 40 Prozent der Befragten gaben an, dass ihnen die Anwendung geholfen habe, ihre Erkrankung besser in den Griff zu bekommen. DiGA wurden nach Angaben der Nutzerinnen und Nutzer allerdings selten zur Überbrückung von Wartezeiten bis zum Beginn einer Therapie genutzt (15 Prozent), nur bei DiGA zu psychischen Erkrankungen war das etwas häufiger der Fall (21 Prozent).

„Trotz der insgesamt recht hohen Zufriedenheit mit den Apps auf Rezept sehen wir in den Ergebnissen eine gewisse Zurückhaltung bei der der Einschätzung des erlebten Nutzens“, sagt Christiane Firk, Bevollmächtigte des Vorstandes der AOK Rheinland-Pfalz/Saarland. So bezeichnen nur 26 Prozent der Befragten die verschriebene DiGA als für sie „unverzichtbar“, für knapp die Hälfte der Teilnehmenden trifft diese Aussage „eher nicht“ oder „überhaupt nicht“ zu. Was die Weiterempfehlung angeht, zeigen sich die Nutzerinnen und Nutzer eher reserviert: Der sogenannte „Net Promotor Score“, mit dem die Weiterempfehlungs-Bereitschaft gemessen wird, lag auf einer Skala von 0 („absolut unwahrscheinlich“) bis 10 („höchst wahrscheinlich“) bei einem Wert von 2. Nur 38 Prozent der Befragten würden Freunden oder Bekannten mit vergleichbarer Diagnose die genutzte DiGA sehr wahrscheinlich weiterempfehlen. Knapp ein Fünftel der Befragten hatte Probleme bei der Umsetzung der digitalen Therapieinhalte, weitere 28 Prozent gaben an, sie hätten „teils-teils“ Probleme gehabt. Für immerhin 15 Prozent der Versicherten passten die Inhalte nicht zu ihrer individuellen Krankheitssituation. „Die Ergebnisse spiegeln wider, dass die verschriebenen DiGA nicht immer dem Bedarf und den Bedürfnissen der Versicherten entsprechen. Nicht-digitale Therapie-Alternativen wie beispielsweise die Physiotherapie bei Rückenbeschwerden sind in vielen Fällen die bessere Wahl – und verursachen für die Beitragszahlenden weniger Kosten als eine DiGA-Verordnung“, so Firk.      

Die befragten Versicherten sind ganz überwiegend (in 68 Prozent der Fälle) von ihrem Arzt oder ihrer Ärztin auf die Möglichkeit der DiGA-Verschreibung hingewiesen worden. Nur ein knappes Drittel wurde durch eigene Recherche, Werbung oder Empfehlungen Dritter darauf aufmerksam. „Bei der Aufklärung über die verschriebene DiGA durch die behandelnden Ärztinnen und Ärzte und die damit verbundene Integration in die ärztliche Behandlung zeigen die Befragungs-Ergebnisse noch Verbesserungspotenzial“, betont Firk. So wurde etwa ein Viertel der Befragten (26 Prozent) gar nicht über den Nutzen der verschriebenen DiGA informiert. 45 Prozent der Befragten gaben an, nur kurz informiert worden zu sein. Und obwohl mit 94 Prozent die überwiegende Mehrheit angab, die Anwendung durch ein Rezept des Arztes oder Therapeuten erhalten zu haben, haben 44 Prozent ihr Nutzungsverhalten und die Resultate der DiGA-Anwendung „eher nicht“ bis „überhaupt nicht“ mit ihrem Arzt oder Therapeuten besprochen.   

Die verschriebenen „Apps auf Rezept“ wurden von den Versicherten vorwiegend über einen Zeitraum von mehreren Monaten genutzt. 5 Prozent der Befragten gaben aber auch an, ihre DiGA nur wenige Tage bis zu einer Woche genutzt zu haben. Bei Menschen, die sich zuvor als wenig digital affin beschrieben oder einen schlechten Gesundheitszustand angegeben hatten, war dies häufiger der Fall: So erklärten etwa 12 Prozent der Befragten mit schlechtem Gesundheitszustand, die verschriebene Anwendung nur bis zu einer Woche genutzt zu haben. Insgesamt 23. Prozent der Befragten gaben an, dass sie die DiGA nicht so lange wie empfohlen genutzt haben. In der Gruppe der Befragten mit schlechtem Gesundheitszustand betraf dies 30 Prozent. „Die GKV muss in diesen Fällen den vollen Preis für die Anwendungen bezahlen, obwohl die Versicherten sie nicht voll nutzen und die Therapie vorzeitig abbrechen. Sinnvoll wäre daher die verpflichtende Einführung von Test-Zeiträumen für die Patientinnen und Patienten, in denen sie die Anwendung vor der eigentlichen Verordnung testen können“, so Firk.

Die Feldzeit der Befragung, die vom Marktforschungs-Institut „Produkt + Markt“ durchgeführt worden ist, lief vom 24. September bis zum 24. Oktober 2022. In diesem Zeitraum beteiligten sich 2.624 von insgesamt 20.879 postalisch angeschriebenen AOK-Versicherten an der Befragung. Diese Versicherten hatten zwei bis zwölf Monate vor der Befragung von der AOK einen Freischaltcode erhalten und die DiGA mit diesem aktiviert, nachdem sie zuvor eine entsprechende ärztliche Verordnung eingereicht oder die DiGA selbst bei der Krankenkasse beantragt hatten. Das Durchschnittsalter der Befragten lag bei 49 Jahren, 68 Prozent der Befragten waren Frauen. Die Angaben der Befragten zu den verordneten „Apps auf Rezept“ entsprechen dem Ranking der bisher am häufigsten verordneten und am längsten verordnungsfähigen DiGA: Am häufigsten wurden die Apps zanadio, Kalmeda, Vivira genannt.  

Seit September 2020 haben gesetzlich Versicherte Anspruch auf eine Versorgung mit Digitalen Gesundheitsanwendungen. Grundlage dafür ist das im Dezember 2019 in Kraft getretene Digitale-Versorgung-Gesetz. Aktuell sind im DiGA-Verzeichnis des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) 39 Anwendungen gelistet, die bei bestimmten Erkrankungen ärztlich verordnet oder direkt bei der Krankenkasse beantragt werden können.