Finanzierung der Kinder- und Jugendmedizin: Intensiv- und Notfallmediziner fordern Entkoppelung von Erwachsenenmedizin Deutschlands Kinderkliniken stecken in einem Dilemma: Das aktuell gültige Abrechnungssystem nach Fallpauschalen kann sich ökonomisch nicht rechnen. Der Grund: Die Behandlung von Kindern erfordert einen deutlich höheren personellen, technischen und zeitlichen Aufwand als jene von Erwachsenen. „Wir behandeln immer mehr Kinder, bekommen aber immer weniger Geld – das muss sich jetzt ändern“, fordert Privatdozent Dr. Florian Hoffmann (links), Präsidiumsmitglied der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI) sowie Sprecher der DIVI-Sektion „Pädiatrische Intensiv- und Notfallmedizin“. Die Vereinigung begrüßt daher die vom Bundesland Mecklenburg-Vorpommern geplante Bundesratsinitiative für eine bessere Finanzierung von Kinder- und Jugendstationen in deutschen Krankenhäusern ausdrücklich. „Es ist an der Zeit, in der Kinder- und Jugendmedizin die reine Priorisierung medizinischer Leistungen nach ihrer Wirtschaftlichkeit zu korrigieren!“ Dazu macht die DIVI auch einen konkreten Vorschlag: Die Finanzierung von Erwachsenen- und Kindermedizin müsste entkoppelt werden, da unter den ökonomischen Fallpauschalen-Kriterien des DRG-Systems (Diagnosis Related Groups) schlichtweg „Äpfel mit Birnen“ verrechnet werden. „Darüber hinaus stellt die flächendeckende Versorgung in der Kindernotfall- und Intensivmedizin eine Voraussetzung dafür dar, dass Eltern mit ihren Kindern auch in Regionen außerhalb von Ballungsgebieten eine Lebensperspektive sehen. Gleichzeitig ist es ureigene Aufgabe unseres Staates, allen Kindern das ihnen zustehende Höchstmaß an Gesundheitsvorsorge zukommen zu lassen“, sagt Hoffmann. Versorgungsbedarf für kranke Kinder kann nicht mehr gewährleistet werden Besonders dramatisch stellt sich die Situation in der Kindernotfall- und Intensivmedizin dar: Diese Spezialgebiete müssen aus nachvollziehbaren Gründen regional vorgehalten werden, setzen aber qualifiziertes Personal in ausreichender Zahl sowie ein hohes Niveau der technischen Ausstattung voraus. Wenig kalkulierbar sind dagegen Häufigkeit und Schweregrad der erkrankten Patienten. „Damit ist die Kindernotfall- und Intensivmedizin im gegenwärtigen Vergütungssystem regelmäßig auf eine sogenannte Querfinanzierung durch andere Krankenhausbereiche angewiesen und muss darüber hinaus regelmäßig auf die personellen und technischen Ressourcen anderer Abteilungen zurückgreifen, also Mitarbeiter und Technik borgen“, erläutert Florian Hoffmann, der als Oberarzt auf der Interdisziplinären Kinderintensivstation am Dr. von Haunerschen Kinderspital der Ludwig-Maximilians-Universität München arbeitet. „Der notwendige Versorgungsbedarf für kranke Kinder kann deshalb nicht mehr sicher und flächendeckend gewährleistet werden.“ Vergütungssystem: Besondere Kinderbedingungen werden nicht abgebildet Der sinnvolle Einsatz von Ressourcen ist im Gesundheitswesen nicht nur aus ökonomischen Gründen sinnvoll, sondern unter ethischen Aspekten zwingend geboten. Das jetzige Vergütungssystem der diagnosebezogenen Fallpauschalen (DRG) bildet allerdings die besonderen Bedingungen der Medizin im Kindes- und Jugendalter nicht angemessen ab, da die diagnosebezogene Vergütung einen eindimensionalen Behandlungsprozess von der Aufnahme des Patienten über notwendige Untersuchungen und Therapie und bis hin zur Entlassung voraussetzt. „Darüber hinaus gibt es altersspezifische Charakteristika verschiedener Erkrankungen sowie Erkrankungen, die nur in bestimmten kindlichen Entwicklungsabschnitten auftreten. Dieses breite Anforderungsspektrum zeigt sich schlussendlich auch darin, dass der Pädiatrie circa 400 bis 500 DRGs zugeordnet sind, der Erwachsenenmedizin durchschnittlich 200“, sagt Privatdozent Dr. Axel Hübler (rechts), ebenfalls Mitglied des DIVI-Präsidiums und ehemals langjähriger Sprecher der DIVI-Sektion „Neonatologische Intensiv- und Notfallmedizin“, die die geplante Bundesratsinitiative ebenfalls unterstützt. Hinzu kommt: „Die durch das DRG-System bedingte Unterfinanzierung der Pädiatrie in Deutschland führte über die vergangenen 15 Jahre zu einer spürbaren Umstrukturierung der pädiatrischen Versorgungslandschaft mit konsequentem Abbau pädiatrischer Versorgungskapazitäten bei gleichzeitig steigenden Patientenzahlen. Risiko Ökonomisierung: Verbesserung der Pädiatrie-Finanzierung gefordert Das beschriebene Dilemma betrifft alle Partner im Gesundheitswesen: Kostenträger, Krankenhausbetreiber und medizinisches Personal. Unmittelbar betroffen sind jedoch diejenigen, um die es eigentlich geht: die kleinen und kleinsten kritisch kranken Patienten. „Die Gesundheitspolitik ist dringend gefragt, bevor die Gesundheit von Kindern durch die Ökonomisierung des Systems riskiert wird. Wir fordern eine dringende Verbesserung der Pädiatrie-Finanzierung in Deutschland“, so Axel Hübler, Chefarzt der Klinik für Kinder und Jugendmedizin am Klinikum Chemnitz. |