Im Dezember 2018 schlossen die SBK Siemens-Betriebskrankenkasse und die Karl-Hansen-Klinik Bad Lippspringe den ersten Qualitätsvertrag der GKV. Ziel des Vertrags ist es, mehr Menschen von der Beatmung zu entwöhnen und ihnen ein besseres Leben zu ermöglichen. Mittlerweile nehmen an dem Vertrag 22 Kliniken und 34 Krankenkassen teil. Aufgrund diverser Hürden konnte eine Entwöhnung bislang jedoch weniger Versicherten als erhofft ermöglicht werden. Beispielsweise kennen viele Hausärzte die Möglichkeit nicht oder sind in diesem Bereich nicht spezialisiert genug. Intensivpflegedienste verhindern zudem häufig die Entwöhnung dieser für sie lukrativen Patienten. |
Bisher konnte die SBK eine geringe Zahl an
Versicherten in den Vertrag einsteuern. Vor einigen Monaten wurde die erste
Versicherte der SBK im Rahmen des Qualitätsvertrags erfolgreich von der
Beatmung entwöhnt. Die 70-jährige Thüringerin wurde aufgrund einer
COPD-Erkrankung im Februar 2021 intensivmedizinisch behandelt und beatmet.
Die Entwöhnung von der Beatmung war im ersten Versuch in der behandelnden
Klinik nicht erfolgreich: Die Patientin wurde beatmet in eine
Intensivpflege-WG entlassen. Der Entlassbrief aus dem Krankenhaus ließ
Heide Wittig, Fachberaterin Intensivversorgung bei der SBK und gelernte
Krankenschwester mit Erfahrung in der Intensivpflege, jedoch aufmerksam
werden: Die Patientin war kardiopulmonal stabil und eine
physiotherapeutische Mobilisierung bis zum Stand an der Bettkante war
möglich. Darüber hinaus sei sie laut Entlassbrief „ausreichend
kommunikativ“ und könne tagsüber am Bett sitzend Nahrung zu sich nehmen. |
Weaning-Potenzial durch
Klinik bestätigt |
Nach Bewertung der Anamnese kontaktierte Heide
Wittig die Zentralklinik Bad Berka in Thüringen. Diese ist auf Weaning
spezialisiert und nimmt am Qualitätsvertrag teil. „Der Oberarzt bestätigte
mir, dass unsere Versicherte gute Chancen hatte, ohne Trachealkanüle zu
leben. Es lag auch in seinen Augen keine Kontraindikation zur
Dekanülierungsüberprüfung vor“, so Heide Wittig, die daraufhin den Ehemann
der Patientin informierte. „Ihre Familie war vollkommen überrascht. Bislang
hieß es, die Erkrankte müsse bis an ihr Lebensende beatmet werden.
Entsprechend groß war die Freude bei ihr und ihrem Ehemann.“ Henning
Müller, behandelnder Oberarzt in Bad Berka, ergänzt: „Durch die gute
Vorbereitung seitens der SBK war eine schnelle Befundzusammenstellung
möglich. Auch wir sahen das Potenzial zur Dekanülierung und nahmen die
Patientin kurzfristig in unserer Weaningeinheit auf.“ |
Erfolgreiche Entwöhnung von der Beatmung nach zwei Wochen |
Die SBK-Fachberaterin bereitete daher alles für
die Klinikaufnahme in Bad Berka vor. Sie stellte außerdem den Kontakt
zwischen Klinik, Pflegedienst und Hausarzt der Versicherten her. Anfang
April wurde die Versicherte in Bad Berka aufgenommen. Bereits vier Tage
später konnte dreimal täglich für zwei Stunden auf die Beatmung verzichtet
werden. Nach zwölf Tagen war die Patientin spontan atmend. Ihre
Blutgaswerte waren gut. Vor Entfernung der Trachealkanüle wurde
endoskopisch Granulationsgewebe nachgewiesen. Über starre Bronchoskopie
konnte das Granulationsgewebe problemlos abgetragen werden. Die
Dekanülierung erfolgte periinterventionell mit Anlage eines Platzhalters,
der bereits zwei Tage später entfernt werden konnte. Somit war die
Patientin nach insgesamt 14 Tagen ohne künstlichen Atemwegszugang, der sie
bisher sehr eingeschränkt hatte. Ende April wurde sie aus der Klinik
entlassen, aktuell wird sie zu Hause von einem Pflegedienst versorgt. |
Erfolgreicher Umgang mit der Erkrankung zu Hause |
Heute kann die Thüringerin mit ihrer
fortgeschrittenen chronischen Lungenerkrankung dank gezielter Schulungen
seitens der Klinik gut leben. Eine bereits während der Entwöhnung
angepasste nicht invasive Beatmung für die Nachtstunden, ein PEP-System zur
Unterstützung des Sekretmanagements sowie eine Inhalationstherapie helfen
ihr dabei. „Nach Einweisung durch uns Atmungstherapeuten war die Patientin
in der Lage, die Geräte völlig selbstständig und defizitfrei zu nutzen und
die Therapien umzusetzen. Sie erhielt außerdem gezielte Schulungen im
Umgang mit ihrer Erkrankung, um Exazerbationen und damit ungeplante
Krankenhausaufenthalte zu vermeiden“, sagt Dorit Schimandl, leitende
Atmungstherapeutin der Zentralklinik Bad Berka. „Die Patientin wird sicher
auch zukünftig ihren Alltag mit der Erkrankung bestmöglich meistern
können.“ |
Freude bei der Versicherten |
Die SBK-Versicherte selbst sagt über ihre
erfolgreiche Entwöhnung von der Beatmung: „Auch wenn es schwer schien: Mein
Mann und ich hatten uns bereits damit abgefunden, dass ich wohl nie wieder
ohne Trachealkanüle leben könnte. Wäre Frau Wittig damals nicht aufmerksam
geworden, sähe mein Leben heute ganz anders aus. Ich bin unendlich dankbar
für ihren Einsatz und den der Ärzte und Atmungstherapeuten in Bad Berka.“ |