Ausgerechnet das Gesundheitswesen hat einen großen ökologischen Fußabdruck. 2019 entfielen 68 Millionen CO2-Äquivalente und sechs Prozent der deutschen Gesamtemissionen auf den Sektor, wie das Potsdamer Institut für Klimafolgenforschung ermittelt hat. Beim Flugverkehr waren es im gleichen Jahr 31 Millionen, also weniger als die Hälfte.1 Selbst die Stahlindustrie reichte mit 54 Millionen nur knapp an das Niveau heran.2 Und anders als Branchen wie die Energiewirtschaft und die Industrie konnte das Gesundheitswesen seine Emissionen bisher nicht reduzieren. Damit wird der Ressourcenverbrauch bei Operationen, Medikamenten oder Fahrten in Praxis und Krankenhaus zum Treiber der Klimaerwärmung – mit erheblichen negativen Auswirkungen auf die Gesundheit der Menschen.
Krankenhäuser sind die größten Emittenten
Beim CO2-Ausstoß des Gesundheitswesens machen die direkten und indirekten Emissionen durch Heizen oder Stromverbrauch in den medizinischen Einrichtungen rund 20 Prozent aus. Dies geht aus den Berechnungen des Potsdamer Instituts hervor. 80 Prozent werden durch den Verbrauch von Gütern und Dienstleistungen verursacht. Dazu gehört zum Beispiel auch die Produktion eines Medikaments in einer indischen Fabrik, das schließlich nach Deutschland transportiert wird. Aufgeschlüsselt nach den Sektoren des Klimaschutzgesetzes sieht die CO2-Bilanz folgendermaßen aus: 42 Prozent der Emissionen fallen im Bereich Energiewirtschaft an, also durch die Beheizung mit fossilen Brennstoffen oder den Stromverbrauch. 21 Prozent beziehen sich auf Herstellungsprozesse in der Industrie, zum Beispiel für Medizintechnik oder Verpackungen. Weitere 17 Prozent des Ausstoßes werden in der Gebäudewirtschaft durch Baumaßnahmen erzeugt. Hinzukommen 14 Prozent im Verkehr, zum Beispiel beim Betrieb von Rettungsfahrzeugen. Vergleicht man den Ausstoß nach der Art der Einrichtung, erweisen sich Krankenhäuser als die größten Emittenten. Sie erzeugen über 15 Millionen Tonnen CO2. Dahinter folgen Apotheken, Arztpraxen und Pflegeeinrichtungen.3
Hebel 1: Von der Mengen- zur Qualitätsorientierung
Das ambitionierte Ziel des GKV-Spitzenverbandes ist es, die Gesundheitsversorgung bis 2045 klimaneutral umzugestalten. Jedoch werden in den nächsten Jahren aufgrund des demografischen Wandels vor allem mehr ältere Menschen zu versorgen sein. „Die kommenden Herausforderungen kann das Gesundheitswesen nur bewältigen, wenn es seine knapper werdenden Ressourcen zielgerichteter als bisher einsetzt“, folgert Dr. Gertrud Demmler, Vorständin der SBK Siemens-Betriebskrankenkasse. „Das ganze Gesundheitssystem ist heute inputorientiert. Es gilt das Motto „viel hilft viel“ und entsprechend fließt das Geld. Das setzt Anreize für Überversorgung also für zu viele Behandlungen. Sie verursachen Kosten, binden Personal und schaden der Umwelt. Im Mittelpunkt der finanziellen Anreize sollten ressourcenschonende Behandlungsprozesse und das Behandlungsergebnis stehen. Um Letzteres zu erfassen, muss die Perspektive der Patientinnen und Patienten mit einbezogen werden.“ Dabei kommt auch der Digitalisierung eine wichtige Rolle zu, um Prozesse zu vereinfachen und besser zu steuern. Helfen wird dabei zum Beispiel die elektronische Patientenakte (ePA).
Hebel 2: Gesundheitsförderung
Um den CO2-Fußabdruck zu verbessern, ist auch Prävention ein wichtiger Hebel. „Jede Erkrankung, die im Vorfeld vermieden wird, spart Ressourcen im System“, erläutert Gertrud Demmler. „Das gilt vom Medikamentenverbrauch über die Medizintechnik bis hin zum notwendigen Gesundheitspersonal.“ In der Gesundheitsförderung liegt ein doppelter Vorteil: Wer sich gesund ernährt und viel bewegt, verbessert nicht nur die Klimabilanz, sondern auch seine Lebensqualität.4 Versicherte können heute auf ein breites Präventionsangebot zugreifen, zum Beispiel mit Gesundheits-Apps.
Hebel 3: Ökologische Prozesse
Die Prozesse und Behandlungen, auf die es ankommt, sollten ökologischer durchgeführt werden. In Kliniken wird zum Beispiel noch zu oft ungefährlicher Hausmüll weggeworfen statt recycelt. Einweg-Plastikhandschuhe wären durch Modelle aus biologisch abbaubarem Material ersetzbar. Erste Schritte im Klinikalltag sind einfach: Werden nicht benötigte Medizingeräte nicht im Stand-by-Betrieb gehalten, sinkt der Stromverbrauch. Bei den Medizinprodukten schließlich sind Arzneimittelhersteller gefordert: sie müssen ihre Lieferketten überprüfen, um die CO2-Emissionen bei Produktion und Transport zu senken.
Diese Pressemitteilung ist der zweite Teil unserer Serie #SBKerklärt zum Thema Klima und Gesundheit. Im ersten Teil der Serie stellen wir unsere repräsentative Umfrage zur Wahrnehmung der gesundheitlichen Folgen des Klimawandels vor.