Für diese Patienten war die Chemotherapie lange Zeit die einzige Therapiemöglichkeit, mit starken Nebenwirkungen und nur geringer Wirksamkeit. Die Erkenntnisse der Genomforschung haben in den letzten Jahren sogenannte personalisierte Therapien ermöglicht, die gezielt auf bestimmte genetische Veränderungen in den Tumoren (sogenannte Treibermutationen) wirken. Für vier dieser Treibermutationen (ca. 15 Prozent der Patienten) gibt es bereits zugelassene Medikamente, für weitere 30 Prozent der Patienten sind solche Mutationen ebenfalls bekannt, allerdings müssen die Medikamente hier noch innerhalb klinischer Studien verabreicht werden. Da die Diagnostik und die hieraus resultierende Therapieempfehlung hochkomplex ist, können diese Verfahren nur an spezialisierten Zentren durchgeführt werden.
Der Verband der Ersatzkassen e. V. (vdek) hat nun für Ersatzkassen-Versicherte (Techniker Krankenkasse (TK), BARMER, DAK-Gesundheit, KKH Kaufmännische Krankenkasse, hkk – Handelskrankenkasse und HEK – Hanseatische Krankenkasse) einen Versorgungsvertrag mit dem „nationalen Netzwerk Genomische Medizin (nNGM) Lungenkrebs“, einem Verbund von initial 15 universitären Krebszentren (Netzwerkzentren) abgeschlossen. Ziel ist es, den betroffenen Ersatzkassen–Versicherten die Behandlungsform auch wohnortnah anzubieten. Dafür arbeiten die universitären Krebszentren mit Krankenhäusern und onkologischen Praxen sektorenübergreifend zusammen.
Etwa die Hälfte Betroffene könnte von der Therapie profitieren
Konkret werden Tumorproben von Patientinnen und Patienten am Wohnort von den primär behandelnden Ärzten (Netzwerkpartner) entnommen und von Experten für molekulare Diagnostik und personalisierte Lungenkrebsbehandlung in den Netzwerkzentren untersucht. Die Experten beraten die behandelnden Ärzte und, wenn gewünscht, auch die Patienten auf der Basis der molekularpathologischen Befunde. Die Behandlung selbst kann zumeist im gewohnten Umfeld der Betroffenen stattfinden. „Studien haben gezeigt, dass die Überlebensraten der betroffenen Menschen und die Lebensqualität durch die neue Behandlungsmethode deutlich steigen. Deshalb wollen wir unseren Versicherten diese hochwertige und spezialisierte Versorgung auch wohnortnah ermöglichen, also auch außerhalb der universitären Zentren“, erläutert Ulrike Elsner, Vorstandsvorsitzende des vdek, den Versorgungsvertrag. Während die Überlebensrate bei der Chemotherapie durchschnittlich nur bei etwa einem Jahr nach Behandlungsbeginn liegt, steigt sie bei dieser individualisierten Methode deutlich. Erprobt wurde das Verfahren an der Uniklinik Köln im Rahmen des Netzwerkes Genomische Medizin (NGM) Lungenkrebs, welches der Etablierung von nNGM als Modell diente. Seit 2010 kooperiert das Centrum für Integrierte Onkologie (CIO) Köln mit rund 300 niedergelassen Onkologen und Kliniken bundesweit. Prof. Jürgen Wolf von der Uniklinik Köln sagt: „Wir haben sehr gute Erfahrungen mit der Versorgung der Patienten im Netzwerk gemacht. Etwa die Hälfte der Lungenkrebspatienten in Deutschland könnte von der neuen Behandlungsform profitieren“.
Ab 2020 wird der Versorgungsvertrag im vollen Umfang bundesweit ausgerollt
Die spezielle Versorgung wird seit Oktober 2019 für alle am Vertrag beteiligten Netzwerkzentren von den Ersatzkassen finanziert. Zugleich werden entsprechende Vereinbarungen mit den Netzwerkpartnern der Fachrichtungen Pneumologie, Hämatologie/Onkologie oder Herz- und Thoraxchirurgie abgeschlossen. Voraussetzung für den Beitritt als Netzwerkpartner ist eine Kooperationsvereinbarung und eine Schulung durch die Netzwerkzentren. Die Ergebnisse der Diagnostik, Therapie und die Auswirkungen auf Überlebensrate, Verträglichkeit und Lebensqualität werden netzwerkübergreifend zusammengetragen und zentral evaluiert.
Weitere Informationen über das Netzwerk sind erhältlich unter https://www.nngm.de/.