Verändertes Mikrobiom bei Hochaltrigen: Wie
die Darmflora das Altern beeinflussen kann Der Darm mit seinen zahlreichen
Mikroorganismen leistet einen maßgeblichen Beitrag zu unserer Gesundheit und
unserem Wohlbefinden. Doch wie verändert sich das Mikrobiom des Darms –
immerhin größtes Organ des menschlichen Körpers – bei hochaltrigen Menschen?
Und welchen Einfluss hat seine veränderte Zusammensetzung auf die Gesundheit
geriatrischer Patienten – und ihr Altern? Mit dieser Thematik setzt sich
Professor Christoph Kaleta (Foto), Leiter der Arbeitsgruppe „Medizinische
Systembiologie“ am Institut für Experimentelle Medizin der Christian-Albrechts-Universität
zu Kiel, auseinander. In seiner Keynote „Elucidating the contribution of the
gut microbiome to aging“ im Rahmen der am Donnerstag beginnenden geriatrisch-gerontologischen
Online-Konferenz beleuchtet er das Thema ganzheitlich. Dabei zeigt
Kaleta auf, wie mikrobiombasierte Therapien das Altern verlangsamen können.
Die Online-Konferenz findet vom 3. bis 5. September statt und wird
organisiert von der Deutschen Gesellschaft für Geriatrie (DGG) mit
Beteiligung der Deutschen Gesellschaft für Gerontologie und Geriatrie (DGGG). „Wir haben festgestellt, dass sich das Mikrobiom im alternden
Körper opportunistisch verhält. Das bedeutet im Detail, dass es die
Produktion von – für seinen Wirt vorteilhaften – Metaboliten reduziert und
gleichzeitig seinen eigenen Verbrauch von Nährstoffen erhöht“, sagt Christoph
Kaleta und fährt fort: „Diese verminderte Kapazität der Mikrobiota in unserem
Darm spielt eine zentrale Rolle für das Altern. Erkennbar wird das
beispielsweise bei der Zellproliferation und Reparatur von DNA-Schäden.“ Den
Teilnehmern der Online-Konferenz wird er aufzeigen, was diese Veränderung des
Mikrobioms im Detail bedeutet, aber auch, wie die Medizin es nutzen kann, um
dem Altern entgegenzuwirken.
Mit der medizinischen
Systembiologie Krankheiten entschlüsseln
Am Institut für Experimentelle Medizin der Universität Kiel
gehen Christoph Kaleta und sein Team der Frage nach, wie unser biologisches
System als Ganzes funktioniert, welche Mechanismen Krankheiten auslösen und
wie das Mikrobiom mit dem Wirt interagiert. In der sogenannten
Systembiologie, einer zukunftsweisenden Forschungsdisziplin, werden
integrative Analysen großer Datenmengen, Modellierungen und
Nasslaborexperimente vollzogen, um schlussendlich besser zu verstehen, wie
biologische Prozesse ablaufen und Krankheiten entstehen. Dadurch werden
einerseits Risikofaktoren identifiziert und Forscher können andererseits
wesentlich besser verstehen, wie es Krankheitserregern gelingt, sich im
Körper zu verbreiten. Zudem wird erkannt, wie sich diese Erreger während
einer Infektion an die sich schnell verändernden Bedingungen anpassen.
Das Mikrobiom als
Ansatzpunkt für Therapien gegen das Altern
Für Christoph Kaleta steht fest, dass therapeutische
Interventionen, die auf das Mikrobiom ausgerichtet sind, das Altern aktiv
verlangsamen können. Hierfür haben er und sein Team bereits erste Experimente
mit einigen Medikamenten durchgeführt. „Beispielsweise spielt es eine
wesentliche Rolle im Wirkungsmechanismus des Typ-2-Diabetes-Medikaments
Metformin. Dieses ist in der Lage, die Lebensspanne in einer Vielzahl von
Organismen und möglicherweise auch im Menschen zu verlängern“, so der
Forscher. Experimente mit Fadenwürmern und Studien mit hochbetagten Patienten
haben gezeigt, dass nach der Einnahme des Medikamentes das Mikrobiom aktiver
ist.
Erfolgsversprechen
Therapien: Erhöhte Kapazitäten des Mikrobioms nutzen
Die Experimente mit Metformin sind nur ein erster Nachweis
dafür, dass die Erforschung biologischer Mechanismen Alterserscheinungen
verbessern oder gar reduzieren kann. „Das Mikrobiom, besonders im Darm, wird
zunehmend als Modulator für die Gesundheit seines Wirts anerkannt, vor allem
im Kontext des Alterns“, so Christoph Kaleta. In seiner Keynote will er noch
detaillierter aufzeigen, wie erfolgsversprechend Therapien sind, die direkt
die Mikrobiota ansprechen. „Wenn wir die mikrobiellen Gemeinschaften im
menschlichen Körper verstehen, können wir auch die Pathomechanismen
menschlicher Krankheiten besser verstehen – und das Mikrobiom nutzen, um sie
zu behandeln.“ Die Erkenntnisse aus der Systembiologie können auch die
Therapie von Alterserscheinungen entscheidend verändern.
Zur Person:
Prof. Dr. Christoph Kaleta ist Leiter der Arbeitsgruppe
„Medizinische Systembiologie“ am Institut für Experimentelle Medizin der
Christian-Albrechts-Universität zu Kiel. Schwerpunkte der Forschung der
Arbeitsgruppe „Medizinische Systembiologie“ sind die Aufklärung gemeinsamer
Mechanismen, die menschlichen Krankheiten – besonders im Alter – zugrunde
liegen sowie die Entwicklung von Modellierungsansätzen, die es ermöglichen,
metabolische Interaktionen innerhalb mikrobieller Gemeinschaften sowie mit
dem Wirt zu untersuchen. Unter der Leitung von Christoph Kaleta hat die
Arbeitsgruppe zahlreiche Publikationen zur Funktion und dem Einfluss von
Mikrobiomen bei zahlreichen Krankheiten veröffentlicht. Kaleta ist zudem
Mitglied des Exzellenzclusters „Präzisionsmedizin für chronische
Entzündungserkrankungen/Precision Medicine in Chronic Inflammation“ (PMI) und
des Sonderforschungsbereichs „Entstehen und Funktionieren von Metaorganismen“
der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG).
Termin:
Prof. Dr. Christoph Kaleta
Keynote Lecture: Elucidating the contribution of the gut microbiome to aging Geriatrisch-gerontologische Online-Konferenz Deutsche Gesellschaft für Geriatrie (DGG) mit Beteiligung der Deutschen Gesellschaft für Gerontologie und Geriatrie (DGGG) Donnerstag, 3. September 2020 15:45 bis 16:25 Uhr |