Behauptungen über vermeintliche Versorgungs- und Qualitätsprobleme in der deutschen Krankenhauslandschaft im Ländervergleich sind oftmals falsch oder müssen deutlich relativiert werden. Internationale Vergleiche der Krankenhausversorgung sind vielfach undifferenziert und unkritisch. Zu diesem Ergebnis kommt eine Analyse des Deutschen Krankenhausinstituts (DKI), in der ausgewählte Gesundheits- und Versorgungsindikatoren der OECD-Datenbank darauf untersucht wurden, ob diese für Vergleiche geeignet sind. Dabei haben die Ersteller der Studie hinterfragt, ob den Daten einheitliche Datengrundlagen oder Definitionen zugrunde liegen und wie valide diese Daten sind. In einem zweiten Schritt wurden Besonderheiten der jeweiligen Gesundheitssysteme und bevölkerungsspezifischen Merkmale in die Analyse einbezogen, um Unterschiede zu erklären und die Aussagefähigkeit der Statistiken einzuordnen. Als Vergleichsländer wurden neben Deutschland, Österreich, Frankreich, Dänemark und die Niederlande herangezogen. Dem internationalen Vergleich wurden ausgewählte Mortalitäts-, Morbiditäts- und Versorgungsindikatoren zugrunde gelegt: Zentrale Ergebnisse: 30-Tage-Herzinfarkt- und Schlaganfallmortalität und Krankenhausaufnahmen bei Diabetes • Auf Basis von OECD-Daten zur 30-Tage-Herzinfarkt- und Schlaganfallmortalität nach stationärer Aufnahme wird Deutschland eine im internationalen Vergleich vermeintlich hohe Herzinfarkt- bzw. Schlaganfallsterblichkeit attestiert, was bei genauerer Betrachtung der Datenlage jedoch nicht bestätigt werden kann. • Die Herzinfarkt- und Schlaganfallmortalität nach stationärer Aufnahme in Deutschland wird im internationalen Vergleich überschätzt. Die OECD weist in ihrer Datenbank zwei verschiedene Indikatoren zur 30-Tage-Herzinfarkt- bzw. Schlaganfallmortalität nach stationärer Aufnahme aus, die zu unterschiedlichen Ergebnissen führen: einen krankenhausspezifischen Indikator, der ausschließlich die Mortalität im Krankenhaus misst, sowie einen krankenhausübergreifenden 30-Tage-Mortalitätsindikator, der alle Personen berücksichtigt, die nach erfolgter stationärer Aufnahme innerhalb von 30 Tagen im Krankenhaus oder außerhalb des Krankenhauses sterben. Deutschland weist beispielsweise im Vergleich zu Dänemark oder den Niederlanden eine deutlich höhere mittlere Verweildauer bei Herzinfarkt- und Schlaganfallpatientinnen und -patienten auf. Je länger die Verweildauer, desto höher ist tendenziell auch die Wahrscheinlichkeit, dass Patientinnen und Patienten im Krankenhaus sterben. Für Deutschland liegt in den OECD-Daten allerdings nur der krankenhausspezifische Indikator vor. • Deutschland schneidet in Bezug auf relevante Risikofaktoren (insbesondere Alter, Komorbidität und sozioökonomischer Status) systematisch schlechter als die vier ausgewählten Vergleichsländer ab. Die OECD-Kennzahlen zur 30-Tage-Mortalität werden aber keiner umfassenden Risikoadjustierung unterzogen. • Am Beispiel der Krankenhaushäufigkeit von Diabetes mellitus lassen sich bei der Morbidität international ähnliche Einflussfaktoren identifizieren wie bei den genannten Mortalitätsindikatoren. Die hohe Anzahl der Krankenhausaufnahmen bei Diabetes in Deutschland lässt sich einerseits über die im internationalen Vergleich hohe Prävalenz von Diabetes in der Bevölkerung erklären. Andererseits ist das Diabetesmanagement im vorstationären Bereich ausbaufähig, was sich insbesondere im Vergleich mit Dänemark zeigt. Dort existieren telehealth-Konzepte und Angebote ambulanter Diabeteskliniken. Zudem ist die Steuerungsrolle des Hausarztes im Diabetesmanagement sehr ausgeprägt. Krankenhaus- und Bettendichte, stationäre Fallzahlen und Verweildauern • Im internationalen Vergleich weist Deutschland eine hohe Krankenhaus- und Bettendichte bzw. überdurchschnittliche Fallzahlen und Verweildauern im Krankenhaus auf. Dies belegt ein hohes Versorgungsniveau in Deutschland, das zudem einen spezifischen Bedarf bzw. Besonderheiten des deutschen Gesundheitssystems widerspiegelt. • Aufgrund einer im internationalen Vergleich überdurchschnittlichen Alters- und Morbiditätslast sowie einer größeren sozialen Ungleichheit, besteht in Deutschland ein höherer Bedarf an akutstationären Versorgungskapazitäten. Besonderheiten der prä- und poststationären Versorgung hierzulande, vor allem die mangelnde sektorenübergreifende Integration und Kooperation von Leistungsangeboten und unzureichende Nachsorgeangebote führen dazu, dass der Krankenhausbereich Versorgungsdefizite in anderen Leistungssektoren kompensieren muss. Eine isolierte Betrachtung der stationären Kapazitäten und Fallzahlen erscheint daher aufgrund der zentralen Rolle der Krankenhäuser in der Versorgungslandschaft nicht angemessen. • Auch die im internationalen Vergleich längeren Krankenhausverweildauern in Deutschland lassen sich maßgeblich durch den höheren Anteil der älteren Bevölkerung und der damit einhergehenden größeren Krankheitsschwere sowie durch bessere Nachsorgeangebote im Ausland erklären. So werden in Dänemark Kommunen finanziell sanktioniert, wenn sie unzureichende Nachsorgeangebote anbieten. • Es gibt viele länderspezifische Besonderheiten in der Datenverfügbarkeit, beim Datenumfang und der Datenauswertung. So werden bei Krankenhausverweildauern in Dänemark nur Fälle in somatischen Krankenhäusern mit einer Verweildauer unter 18 Tagen berücksichtigt. Auch der Datenumfang bei der Kennzahl zu Krankenhausbetten ist höchst unterschiedlich. In einigen Ländern werden psychiatrische Betten in der Kennzahl berücksichtigt, in anderen nicht. Die vollständige Analyse mit einer Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse finden Sie hier. |