Erklärstück: Der Staat weist den Gesetzlichen Krankenkassen regelmäßig Aufgaben zu. Nicht immer wird dabei ausreichend für die Finanzierung gesorgt. Das belastet die Beitragszahler.
Jedes Mitglied einer Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) zahlt Geld in einen großen Topf, den Gesundheitsfonds. Hinzu kommen die Einzahlungen der Arbeitgeber, die traditionell für ihre gesetzlich krankenversicherten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die Hälfte der Beiträge übernehmen. In diesem Topf landen außerdem Steuermittel. Wofür diese genau verwendet werden und warum über ihre Höhe diskutiert wird, erläutert die SBK Siemens-Betriebskrankenkasse.
Wer zahlt in den Gesundheitsfonds ein?
Ein Großteil der Gelder, die in den Gesundheitsfonds eingezahlt werden, stammt von den Mitgliedern der Krankenkassen und ihren Arbeitgebern. Es gibt jedoch noch weitere Institutionen, die sich an den Kosten für die Gesundheitsversorgung der rund 73 Millionen GKV-Versicherten beteiligen. Die Rentenversicherung beteiligt sich hälftig an den Beiträgen der Rentnerinnen und Rentner, die Bundesagentur für Arbeit zahlt die Beiträge für arbeitslos gemeldete Menschen. Die Beiträge für Bedürftige wie beispielsweise Minderjährige ohne Familie werden vom Staat getragen, die Jobcenter überweisen Geld für die Versorgung von Bürgergeldempfangenden. Hinzu kommt der so genannte Bundeszuschuss, der für die Finanzierung der versicherungsfremden Leistungen eingesetzt wird.
Wieso zahlt der Staat Gelder in den Gesundheitsfonds ein?
Der Staat trägt mit seinen Zahlungen zur Finanzierung der Aufgaben bei, die die GKV in seinem Auftrag übernimmt. Man spricht in diesem Zusammenhang von Auftragsleistungen. Sprich: Mit den Geldern werden Ausgaben refinanziert, die nicht den einzelnen Beitragszahlenden betreffen, sondern bei denen gesellschaftliche Aufgaben im Mittelpunkt stehen. Das sind zum einen die versicherungsfremden Leistungen. Dazu gehört aber auch die Unterstützung von Reformvorhaben oder die Fürsorgepflicht für Bedürftige (Bürgergeldempfangende, Arbeitslose, alleinlebende Minderjährige, Asylsuchende usw.).
Mit dem Rückgriff auf Steuermittel werden alle Steuerzahler in Deutschland in die Finanzierung der gesamtgesellschaftlichen Aufgaben einbezogen und die Kosten werden auf mehr Schultern verteilt.
Wie viel zahlt der Staat insgesamt in den Gesundheitsfonds ein?
Einen großen Anteil der Staatsmittel, die in den Fonds eingezahlt werden, bildet der Bundeszuschuss für die versicherungsfremden Leistungen. Diesen zahlt der Bund seit 2004. Seit 2017 ist der Bundeszuschuss – mit Ausnahmen in den Coronajahren – auf jährlich 14,5 Milliarden Euro festgeschrieben. In den vergangenen zwölf Jahren ist er um gerade einmal 3,6 Prozent gestiegen. Berücksichtigt man den Wertverlust durch Inflation, ist der Zuschuss seither sogar um 20 Prozent gesunken.
Einen weiteren, größeren Block an Staatsmitteln bilden die Beiträge für Bürgergeldempfangende. Die Jobcenter, die von der Bundesagentur für Arbeit und den Kommunen gemeinsam getragen werden, zahlen monatlich über 600 Millionen Euro, pro Bürgergeldempfangenden knapp 110 Euro, in den Gesundheitsfonds ein. Das ergibt einen Jahresbetrag von über 5 Milliarden Euro.
Wo liegt das Problem bei den Zahlungen für die Auftragsleistungen?
Das Problem ist, dass der Staat den gesetzlichen Krankenkassen über Gesetze und Verordnungen Aufgaben zuweisen kann, ohne eine Finanzierung dafür sicherzustellen. Denn so sinnvoll es ist, dass wir gemeinsam im Dienste der Gesellschaft Vorhaben realisieren – der Blick dafür, wer für die Bezahlung der Aufgaben zuständig ist, darf nicht fehlen. Einige Beispiele verdeutlichen die Problematik:
Während der Corona-Pandemie hat es gut funktioniert: Die Krankenkassen haben den Staat unterstützt. Sie haben die Freihaltepauschalen für Krankenhäuser ausgezahlt, sie haben sich an der Finanzierung von Tests beteiligt, sie haben Masken-Gutscheine verschickt und einiges mehr. Die durch diese Zusatzaufgaben entstandenen Mehrkosten hat der Bund den Kassen in den Jahren von 2020 bis 2023 zurückerstattet.
Doch nicht immer läuft das so reibungslos: Im Rahmen der Krankenhausreform beispielsweise soll ein so genannter Transformationsfonds aufgesetzt werden. Mit den dort zur Verfügung gestellten Geldern soll der notwendige Umbau der deutschen Krankenhauslandschaft finanziert werden. Die Hälfte des Geldes, 25 Milliarden Euro, soll von den Beitragszahlenden der GKV zur Verfügung gestellt werden. Und das obwohl gesetzlich festgelegt ist, dass für die Finanzierung der Krankenhausinfrastruktur die Bundesländer zuständig sind. Hier wird eine Aufgabe übertragen – die Unterstützung bei der Reform des stationären Sektors – ohne die entsprechende Finanzierung.
Ein weiteres Beispiel für ein solches Vorgehen ist die Versorgung der Bürgergeldempfangenden. Der Staat überträgt den Krankenkassen die Aufgabe, die Versorgung der Bürgergeldempfangenden im Krankheitsfall zu übernehmen. Er zahlt dafür monatlich 110 Euro über die Jobcenter in den Gesundheitsfonds ein. Zum Vergleich: Vollzeitbeschäftigte in untersten Lohngruppen zahlen derzeit ein GKV-Beitrag von etwa 350 Euro – was auch in etwa dem entspricht, was für die medizinische Versorgung eines Menschen durchschnittlich notwendig ist. Der Bund mit seiner Summe für Bürgergeldempfangende liegt rund 60 Prozent darunter. Insgesamt führt das zu einem jährlichen Fehlbetrag von rund neun Milliarden Euro im Gesundheitsfonds. Verursacht durch die nicht wahrgenommene Finanzierungsverantwortung des Staates.