Für jahrzehntelange, herausragende Leistungen in der Altersmedizin hat Professor Dr. Dr. Gerald Kolb (68, Foto), zuletzt fast 30 Jahre Chefarzt der Geriatrie am Bonifatius Hospital Lingen (Ems), den erstmals ausgelobten DGG-Preis für das Lebenswerk erhalten. „Unser interdisziplinär überaus wertgeschätzter Kollege hat in den vergangenen Jahrzehnten maßgeblich dafür gesorgt, dass unser Fachgebiet der Geriatrie jetzt im Mittelpunkt vieler Behandlungen von älteren Patienten steht“, sagt Laudator Professor Hans Jürgen Heppner in seiner Funktion als Präsident der Deutschen Gesellschaft für Geriatrie (DGG). Gerald Kolb zeichne sich zudem dadurch aus, dass er die Onkologie und Geriatrie näher zusammengebracht habe – insbesondere auch durch seine intensive wissenschaftliche Arbeit, die viele neue Erkenntnisse hervorgebracht habe. Der Mediziner hat den Preis am vergangenen Donnerstag im Rahmen des DGG-Online-Kongresses in Empfang genommen und eine Special-Lecture zum Thema „Geriatrische Onkologie ist personalisierte Medizin“ gehalten. Kolb betont: „Die Geriatrie braucht verstärkt eigene Grundlagenforschung“. Bis zum heutigen Tag hat Professor Gerald Kolb mehr als 600 wissenschaftliche Arbeiten veröffentlicht – darunter auch zahlreiche Lehrbücher, Originalarbeiten, Leitlinien, Kongress-Abstracts, Handbuchartikel und vieles mehr. Neben seiner Habilitationsschrift für die Innere Medizin markieren zwei Inaugural-Dissertationen – in der Humanbiologie und in der Medizin – den Start seiner wissenschaftlichen Karriere. „Wenn ich an mein Lebenswerk denke, dann verbinde ich das automatisch mit meiner Publikationsliste“, so Kolb. „Schreiben bedeutet, sich festzulegen. Und das machen wir: Wissenschaftliche Publikationen bilden nicht nur den aktuellen Stand unserer Erkenntnisse ab – sie legen sie verbindlich fest und nutzen jedem Mediziner bei der täglichen Arbeit.“ Kolbs Motivation dabei: „Ich wollte immer finden, was richtig ist – und den aktuellen Stand der Wahrheit. Wir Menschen erkennen ja nur Gesetzmäßigkeiten und erschaffen nichts. Mich hat es immer begeistert, etwas Neues aufzudecken, was vorher noch kein Mensch gesehen hat – gerade in der experimentellen Forschung.“ Hessen, Indien, Emsland: Ein Leben für die Medizin Gerald Kolb stammt aus Fulda, er ist verheiratet und hat einen erwachsenen Sohn. Nach dem Abitur und zweijährigem Wehrdienst entscheidet er sich 1974 für das Studium der Humanbiologie und Medizin an der Philipps-Universität Marburg. Sein Praktisches Jahr absolviert er an den Städtischen Kliniken Fulda. Ein Auslandsaufenthalt führt ihn 1981 an das Schieffelin Institute of Health – Research and Leprosy Centre Karigiri in Südindien. Nach seinen Doktoraten in den Jahren 1981 und 1983 arbeitet Kolb in der Abteilung für Hämatologie, Onkologie und Immunologie am Zentrum für Innere Medizin des Universitätsklinikums Gießen und Marburg, beschäftigt sich ein Jahr mit Röntgendiagnostik mit den Schwerpunkten Hämatologie, Onkologie und Rheumatologie. Er erhält die Weiterbildungsermächtigung der Inneren Medizin und macht seinen Facharzt für Physikalische und Rehabilitative Medizin. Einen Ruf an die Universität Ulm zum Fachvertreter für Geriatrie, verbunden mit der Leitung der Agaplesion Bethesda Klinik Ulm lehnte er Mitte der 1990er-Jahre ab, stattdessen forcierte er seine Arbeit in Lingen und wurde 1997 zum außerplanmäßigen Professor an der Philipps-Universität Marburg berufen. Von 2002 bis 2017 ist er Ärztlicher Direktor des Bonifatius Hospitals Lingen (Ems). 28 Jahre Chefarzt: Ein sehr fairer und höflicher Vorgesetzter der alten Schule Seit 1993 war Gerald Kolb Chefarzt der Abteilungen Geriatrie sowie Physikalische Medizin und Rehabilitationsmedizin am Bonifatius Hospital Lingen (Ems). Dass die Geriatrie dort zu einem Leuchtturm der Altersmedizin wurde, ist im Wesentlichen sein Verdienst. Mitte dieses Jahrs hat Kolb ein sehr gut aufgestelltes Haus an die nächste Generation übergeben. Unter den Mitarbeitern sagt man: „Der Chef hatte immer hohe Ansprüche, war sehr genau in der Sache und hat viel gefordert. Er war aber vor allem ein sehr fairer und höflicher Vorgesetzter, keiner, der einen hierarchischen Ton anschlug, sondern einer, der mitten im Team stand und von allen höchst geschätzt wurde. Einer von der alten Schule.“ Auch deswegen will ihn das Hospital nicht wirklich in den Ruhestand gehen lassen. Kolb ist nur ein paar Türen weitergezogen und betreut nun den Bereich der ambulanten Geriatrie. „Ich freue mich wirklich sehr, meine Leidenschaft nochmal in den ambulanten Bereich einbringen zu können – der in der Geriatrie noch deutlich unterrepräsentiert ist“, so Kolb. Die Geriatrie geprägt: Wegweisende Entscheidungen für die Gesellschaft Dass die Geriatrie in Deutschland alles andere als unterrepräsentiert ist, geht auf die Lebensleistung von Gerald Kolb zurück. Elf Jahre war er als Vorstandsmitglied der Deutschen Gesellschaft für Geriatrie aktiv – von 2003 bis 2005 als Präsident. In dieser Zeit hat er viele wegweisende Entscheidungen für die Gesellschaft auf den Weg gebracht. Kolb initiierte den Bundesverband Geriatrie mit, war von 2008 bis 2015 Präsident des damaligen Dachverbandes der Gerontologischen und Geriatrischen wissenschaftlichen Gesellschaften Deutschlands (DVGG) und seit 2006 war er Mitglied des Scientific Board der European Union Geriatric Medicine Society (EuGMS) – insgesamt gehörte er 16 wissenschaftlichen Gremien und Präsidien an. „Für die Deutsche Gesellschaft für Geriatrie war Kolb ein Glückfalls“, sagt Hans Jürgen Heppner, der nun nach drei Jahren im Amt selbst die Präsidentschaft der DGG weitergibt. „Als junger Geriater habe ich Professor Kolb immer als denjenigen wahrgenommen, der eine Brücke geschlagen hat zwischen den unterschiedlichen Genrationen unseres Faches. Er hat alle zusammengeführt, damit wir uns mit gebündelten Kräften für die Geriatrie einsetzen konnten“, sagt Heppner. Eine Leidenschaft für die Onkologie – Pionierarbeit in frühen Forscherjahren Für die Zukunft wünscht sich Gerald Kolb, dass sich auch Nachwuchswissenschaftler der Schnittstelle von Onkologie und Geriatrie widmen. „Die Onkologie war mir im Schwerpunkt immer wichtig. Als ich als junger Wissenschaftler feststellen konnte, dass fast alle Tumore auch Alterserkrankungen sind – und es viele Parallelen zwischen der Tumorentstehung und den Alterungsprozessen gibt –, war für mich klar: die geriatrische Onkologie wird mein Spezialgebiet.“ In diesem Feld hat Kolb Pionierarbeit geleistet, 1999 hat er zusammen mit der Deutschen Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische Onkologie (DGHO) und der Deutschen Gesellschaft für Geriatrie (DGG) die gemeinsame Arbeitsgruppe Geriatrische Onkologie gegründet, die bis heute wichtige Arbeit an der Schnittstelle beider Disziplinen leistet. Für Kolb gilt bis heute: „Wenn du siehst, dass etwas getan werden muss, dann tu es! Kein anderer macht es für dich.“ Für ihn ist die Arbeit Beruf und Berufung zugleich. „Ich bin sehr glücklich, dass ich mich für die Geriatrie in diesem Umfang einsetzen konnte. Das ist nicht nur eine Frage der richtigen Prioritäten, sondern eine Frage der Unterstützung durch die Familie, durch Freunde und durch die Kollegen. Dafür danke ich allen ganz, ganz herzlich!“ Foto: Bonifatius Hospital Lingen |