- Jungen mehr als doppelt so häufig betroffen wie Mädchen
- Autismus – Störung oder Eigenart?
- Autismus kommt selten allein
Weltweit werden immer mehr Autismus-Spektrum-Störungen (kurz: ASS) bei Kindern und Jugendlichen gemeldet. Derzeit wird die weltweite Häufigkeit des Auftretens autistischer Störungen mit 0,6 bis 1 % angegeben[1]. Eine Datenauswertung der hkk Krankenkasse zeigen jedoch, dass sich die Betroffenenquote unter den hkk-Versicherten in den vergangenen zehn Jahren deutschlandweit verdoppelt hat (2013: 0,4 % vs. 2022: 0,8 %).
Jungen mehr als doppelt so häufig betroffen wie Mädchen
Im Jahr 2022 waren insgesamt 1,1 Prozent aller bei der hkk versicherten Jungen bzw. Männer im Alter von 0-24 Jahren von ASS betroffen – mehr als doppelt so häufig wie weibliche Versicherte dieser Altersgruppe (0,5 %). Vor allem genetische, aber auch hormonelle und soziale Ursachen werden als Ursache für diesen Unterschied diskutiert. Dr. Stefan Trapp, Kinder- und Jugendarzt sowie Landesvorsitzende des Bremer Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte erklärt, dass betroffene Mädchen stärkere psychiatrische Begleiterkrankungen aufweisen müssen, um eine ASS-Diagnose zu erhalten: „Vermutlich können sie soziale Beeinträchtigungen wegen unterschiedlicher geschlechtsspezifischer Verhaltensweisen teils besser kompensieren als ihre gleich stark betroffenen männlichen Altersgenossen.“
Autismus – Störung oder Eigenart?
Autismus wird laut ICD-10 – der Krankheitsklassifizierung der WHO – als Entwicklungsstörung des zentralen Nervensystems angesehen und diagnostisch in fünf Subgruppen unterteilt. Laut der hkk-Datenanalyse haben die meisten „frühkindlichen Autismus“ (36,8 %) und „Asperger-Syndrom“ (31,9 %).
Da sich die unterschiedlichen Formen überschneiden und verschiedene Ausprägungsgrade auftreten können, wird in der künftigen ICD-11 der Oberbegriff „Autismus-Spektrum-Störung“ verwendet. Denn eine trennscharfe Abgrenzung zwischen den einzelnen Störungen ist oft nicht möglich. Laut Stefan Trapp ist das positiv, denn die neue Klassifikation könne den Betroffenen vielleicht einen individuelleren Zugang zu Therapie- und Unterstützungsangeboten eröffnen.
Unter dem Schlagwort „Neurodiversität“ fordert eine wachsende Bewegung von Forschern wie Laien, dass die Besonderheiten vieler Autisten nicht als Störung, sondern als Eigenart betrachtet werden, die keiner Behandlung bedarf. Positiv daran ist laut Trapp, dass die Stigmatisierung dadurch zurückgehen könnte. Auf der anderen Seite sollte aber nicht ausgeblendet werden, dass viele Betroffene auf Hilfen angewiesen sind. „Der Übergang von individuellen Charakterzügen, die ‚autistische‘ Aspekte aufweisen, bis zur Störung mit erheblicher Beeinträchtigung der Lebensqualität ist fließend“, sagt Trapp. „Sicher spielt die Bereitschaft des jeweiligen sozialen Umfelds, die Besonderheiten der Betroffenen zu akzeptieren, eine große Rolle dabei, ob diese ihre ASS als Belastung erleben“ so Trapp weiter.
Autismus kommt selten allein
Wie hoch der Leidensdruck ist, zeigt, dass in der hkk-Datenauswertung mehr als die Hälfte (53,6 %) aller ASS-Betroffenen mindestens eine weitere kinder- und jugendpsychiatrische Begleiterkrankung aufwiesen, zum Beispiel Aufmerksamkeitsdefizits- und Hyperaktivitätsstörung (ADHS: 33,1 %) oder Angststörung (24,6 %). „Die Mehrzahl der Betroffenen leidet an zusätzlichen psychischen Störungen oder somatisch-neurologischen Erkrankungen, die häufig eine medikamentöse Behandlung erfordern“, erklärt Trapp. Das bestätigen die hkk-Daten: 27,3 % der Betroffenen erhielten Psychopharmaka. Auf dem ersten Platz lagen ADHS-Medikamente (14,2 %), gefolgt von Antipsychotika (6,7 %) und Antidepressiva (6,5 %).
Nicht-medikamentöse Behandlungen wie Psychotherapie erhielt jeder Dritte (30,0 %), gefolgt von Ergotherapie (20,9 %) und Logopädie (18,3 %). Eine Behandlung durch qualifizierte Therapeuten solle möglichst rasch nach der Diagnosestellung ermöglicht werden, so Trapp. Ziel der eingesetzten Therapien ist die Verbesserung der individuellen Lebensqualität und Förderung der alltagspraktischen Kompetenz der Betroffenen. Dabei werden vor allem die Bereiche der sozialen Interaktion und belastender Verhaltensweisen in den Fokus genommen.
Wichtig ist darüber hinaus die Psycho-Edukation: Betroffene wie Eltern, Freunde und pädagogisches Personal sollten möglichst genau über die Störung aufgeklärt werden, damit sie Verständnis für die Eigenheiten und Bedürfnisse entwickeln können. Für Eltern gibt es spezielle Elterntrainings, in denen sie lernen, mit den Verhaltensweisen ihres Kinds umzugehen. Zum Beispiel bietet der Verein „Autismus Bremen e. V.“ eine fachkundige Beratung. Ein möglichst tolerantes Umfeld, das die Störung nicht stigmatisiert, hilft den Betroffenen sehr.
Ansprechpartner für die Presse:
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Über die hkk Krankenkasse (Handelskrankenkasse): Die hkk zählt mit mehr als 910.000 Versicherten (davon über 710.000 beitragszahlende Mitglieder), 14 Geschäftsstellen und 2.100 Servicepunkten zu den großen gesetzlichen Krankenkassen. Mit ihrem Zusatzbeitrag von 0,98 Prozent ist sie auch 2023 eine der günstigsten Krankenkassen Deutschlands. Zu den überdurchschnittlichen Leistungen zählen unter anderem mehr als 1.000 Euro Kostenübernahme je Versicherten und Jahr für Naturmedizin, Vorsorge sowie bei Schwangerschaft. Das vorteilhafte Preis-Leistungs-Verhältnis wird durch eine über Jahrzehnte gewachsene Finanzstärke und Verwaltungskosten ermöglicht, die mehr als 25 Prozent unter dem Branchendurchschnitt liegen. Rund 1.300 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen betreuen 2023 ein Haushaltsvolumen von rund 3,7 Milliarden Euro. Rund 2,9 Milliarden Euro davon entfallen auf die Krankenversicherung. Das Volumen der Leistungsausgaben liegt bei 2,7 Milliarden Euro (+ 11,5 Prozent).
[1]https://www.umweltbundesamt.de/themen/gesundheit/umweltmedizin/autismusautismus-spektrum-stoerungen