Die Corona-Krise hat das Gesundheitssystem in einen Ausnahmezustand versetzt. Dabei schlägt es sich bisher recht robust. Allerdings werden etablierte Strukturen und Abläufe auf die Probe gestellt und bisher verlässliche Entwicklungslinien unterbrochen. Das spiegelt sich auch in den Finanz-Kennzahlen der KV45-Statistik wider, die im zweiten Quartal heftig durcheinandergewirbelt wurden.
So bildet das Corona-Quartal von April bis Juni 2020 einen echten Einschnitt: Die Leistungs-Inanspruchnahme in Krankenhäusern, Zahnarztpraxen, Reha-Einrichtungen, Physiotherapie-Praxen etc. ist regional in unterschiedlichem Ausmaß deutlich eingebrochen – teils aus Gründen der Vorsorge (Freihalten von Krankenhaus-Intensivbetten), teils, weil medizinisch notwendige, aber nicht dringliche Operationen und Behandlungen verschoben werden mussten (vgl. WIdO-Studie zu Fallzahl-Rückgängen). Auch Vorsicht oder Angst der Patienten vor einer Infektion trugen zum Rückgang der Behandlungszahlen bei. Entsprechend gering fällt der Anstieg der Leistungsausgaben je Versicherten bei den AOKs aus (+1,6 Prozent). Gegenüber dem Vorjahresquartal ist das ein Rückgang um fast zwei Prozentpunkte (Vorjahr: +3,4 Prozent). Einen solchen Ausgabenknick hat es seit Bestehen der Quartalsstatistik nicht gegeben. Unterm Strich ergibt sich für die AOK-Gemeinschaft durch diesen Sondereffekt ein positives Halbjahresergebnis von rund 320 Millionen Euro. Das erste Quartal 2020 schloss noch mit einem Defizit von rund 435 Millionen Euro ab.
Martin Litsch, der Vorstandsvorsitzende des AOK-Bundesverbandes, sagt dazu: „Auf der Ausgabenseite sehen wir zwar in fast allen Leistungsbereichen starke Fallzahl-Rückgänge, bei denen unklar ist, ob und wann es dazu vergleichbare Nachholeffekte geben wird. Gleichzeitig müssen wir aber mit etlichen Extraposten rechnen. So stemmt die GKV über den Einsatz der Liquiditätsreserve des Gesundheitsfonds die Finanzierung der zusätzlichen Intensivbetten, den Bonus für Pflegekräfte und die Covid-19-Testungen der Bevölkerung. Die PKV ist nicht beteiligt. Zugleich haben sich die Beitragseinnahmen im Gesundheitsfonds kritisch entwickelt und es ist abzusehen, dass sie deutlich unter den Planungen bleiben werden. Wichtig war daher die Zusage zusätzlicher Bundesmittel von 3,5 Milliarden Euro für dieses Jahr. Ob das aber ausreicht, müssen wir sehen. Dazu befinden wir uns mit dem Bundesgesundheitsminister im Dialog. Die Umsetzung der ‚Sozialgarantie 2021‘, mit der die Sozialversicherungsbeiträge bis zum Jahr 2021 bei maximal 40 Prozent stabilisiert werden sollen, ist jedenfalls ein ehrgeiziges Ziel. Die Kassen werden zunächst weiter auf Sicht fahren müssen, denn das Finanzergebnis des zweite Quartals ist bloß eine Momentaufnahme. Der weitere Verlauf des Jahres 2020 ist noch nicht abzusehen. Bei einer Normalisierung der Versorgung ist im Jahr 2021 mit weiteren Nachhofeffekten zu rechnen. Insgesamt zeigt diese Krisensituation, wie hilfreich für die GKV ein solides Maß an Finanzrücklagen ist.“