Die Sozialwahl 2023 steht vor der Tür. Am 31. Mai ist der Stichtag für die dreizehnten Sozialversicherungswahlen seit Bestehen der Bundesrepublik. Damit konstituieren sich auch die Verwaltungsräte – die Soziale Selbstverwaltung – bei den Ersatzkassen (TK, BARMER, DAK-Gesundheit, KKH Kaufmännische Krankenkasse, hkk – Handelskrankenkasse, HEK – Hanseatische Krankenkasse) neu. Allein bei den Ersatzkassen werden ab April 2023 rund 22 Millionen wahlberechtige Versicherte aufgefordert, ihre Stimme für ihre ehrenamtlichen Vertreterinnen und Vertreter in den sogenannten Versichertenparlamenten abzugeben. Informationen zu den bevorstehenden Wahlen bei den Ersatzkassen und der Deutschen Rentenversicherung (DRV) Bund sind auf www.sozialwahl.de zu finden.
In einer Dialogveranstaltung des Verbandes der Ersatzkassen e. V. (vdek) zum Thema „Die Soziale Selbstverwaltung konstituiert sich neu – Herausforderungen, Chancen, Potenziale“ diskutierten am 18.1.2023 Vertreterinnen und Vertreter aus der Wissenschaft, der Politik und der Praxis über Gegenwart und Zukunft der Sozialen Selbstverwaltung. Wie etwa muss die Soziale Selbstverwaltung ausgestaltet sein, um auch künftig die Gesundheitsversorgung mitzugestalten? Welche Bedeutung hat die Sozialwahl für die Versicherten und für die Demokratie? Welche spezielle Rolle kommt der Wahl in diesem Jahr zu?
Soziale Selbstverwaltung und Sozialwahlen: Ein Teil unserer demokratischen Gesellschaft
Uwe Klemens, ehrenamtlicher Verbandsvorsitzender des vdek, sagte: „Die Sozialwahlen und die Soziale Selbstverwaltung haben eine lange Tradition. Sie sind ein Grundpfeiler unserer sozialen Sicherungssysteme und ein Teil unserer demokratischen Gesellschaft. Durch die in den Sozialwahlen gewählten Vertreter:innen gestalten Versicherte und Arbeitgeber ihre Renten- und Krankenversicherung mit und nehmen Einfluss auf wichtige Eckpfeiler der sozialen Sicherung. Nah bei den Betroffenen, nah am Versorgungsgeschehen und mit einer grundsätzlichen Unabhängigkeit gegenüber den staatlichen Akteuren.“ Das solidarische Selbstverwaltungs-Modell sei die bessere Alternative gegenüber rein staatlichen oder überwiegend vom Markt diktierten Gesundheitssystemen.
Dr. Rolf Schmachtenberg, Staatssekretär im Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS), sagte: „Selbstverwaltung ist Bürgerbeteiligung, ist gelebte Demokratie. Sie garantiert die Unabhängigkeit der Sozialversicherungsträger gegenüber der staatlichen Verwaltung. Arbeitgeber und Versicherte regeln ihre Angelegenheiten im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben selbst und in eigener Verantwortung. Das hat sich auch in den schwierigen letzten Jahren bewährt und soll auch künftig weiterentwickelt werden. Die Reform im Jahr 2021, mit der wir die Sozialwahlen modernisiert und die Selbstverwaltung gestärkt haben, war dafür ein wichtiger Schritt. Die Veranstaltung des vdek hat nochmal deutlich vor Augen geführt, was wir an der Selbstverwaltung haben und dass sie für eine gute Zukunft der sozialen Sicherungssysteme unverzichtbar ist.“
Der Bundeswahlbeauftragte für die Sozialversicherungswahlen Peter Weiß (CDU) und seine Stellvertreterin Doris Barnett (SPD) betonten die Bedeutung der Urwahlen für die Sozialversicherungswahlen. „Denn die Urwahlen, die von den Ersatzkassen traditionell durchgeführt werden, schaffen eine lebendige Verbindung zwischen den Mitgliedern der gesetzlichen Krankenkassen und ihren Selbstverwalterinnen und Selbstverwaltern“, unterstrichen Weiß und Barnett. „Außerdem versprechen wir uns vom Modellprojekt Online-Wahlen eine größere Aufmerksamkeit für die Sozialwahlen und die Selbstverwaltungen“, erklärten die beiden Bundeswahlbeauftragten.
Buch zur Sozialen Selbstverwaltung
Zugleich stellten Dr. Bernard Braun, Gesundheitswissenschaftler an der Universität Bremen, und Dr. Tanja Klenk, Professorin für Verwaltungswissenschaft an der Helmut-Schmidt-Universität Hamburg, zusammen mit Uwe Klemens das von ihnen herausgegebene und im Kohlhammer-Verlag erschienene Buch „SELBST verwalten! – Wie Ehrenamtliche unser Gesundheitswesen mitgestalten“ der Öffentlichkeit vor. Neben Vertreterinnen und Vertretern der Politik, Wissenschaft und der Medien kommen als Autorinnen und Autoren auch engagierte Ehrenamtliche aus den Sozialparlamenten der Ersatzkassen zu Wort und berichten aus der Praxis. „In diesem Sammelband wird zum ersten Mal die Soziale Selbstverwaltung in ihren vielen Facetten zusammenhängend und umfassend erläutert“, so Klemens. Rechtzeitig vor der bevorstehenden Sozialwahl biete das Buch allen Interessierten die Chance, die Soziale Selbstverwaltung besser kennenzulernen und ihre große Bedeutung für den deutschen Sozialstaat zu verstehen.
Bernard Braun betonte, dass die mehr als 130 Jahre alte Institution der Sozialen Selbstverwaltung in Deutschland unverändert modern und zeitgemäß sei. „In einer ganzen Reihe von Politikfeldern ist zu beobachten, dass Betroffenenbeteiligung an Bedeutung gewinnt, die Selbstverwaltungsorgane sollten daher weiter belebt und gestärkt werden. Dazu gehört, dass der Gesetzgeber alte Handlungsfelder erhält und neue schafft und die Selbstverwaltung die Gestaltungsmöglichkeiten auch nutzt.“
Mitherausgeberin Tanja Klenk verwies auf die Erfahrungen anderer Länder bei der Ausgestaltung ihrer Gesundheitssysteme. „Die Betroffenenbeteiligung ist eine der besonderen Stärken des deutschen Gesundheitssystems. Es braucht jedoch auch Reformen, um die Soziale Selbstverwaltung an die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts anzupassen und ihre Potenziale voll auszuschöpfen.“
„SELBST verwalten! Wie Ehrenamtliche unser Gesundheitswesen mitgestalten“ (ISBN 978-3-17-041722-9) ist erschienen im Kohlhammer-Verlag und für 22 Euro im Buchhandel erhältlich. Die E-Book-Ausgabe (pdf: ISBN 978-3-17-041723-6, epub: ISBN 978-3-17-041724-3) kostet 19,99 Euro.